Konflikt und Frieden
Toleranz

Andere zu akzeptieren, auch wenn sie anders sind als die breite Masse: Das nennt man Toleranz.
Toleranz - ein Begriff in aller Munde! Er steht für Offenheit, das Aushalten von Unterschieden und eine generelle Bejahung von religiösem, weltanschaulichem, kulturellem, ethnischem und sonstigem Pluralismus. Er stellt sich gegen Haltungen der Intoleranz und die damit verbundenen Gefahren von Bevormundung, Ausgrenzung und Diskriminierung. Gut so! Selbstverständlich muss Toleranz Schranken haben, weil sie sonst in Beliebigkeit abgleitet und sich womöglich selbst abschafft.
Aber der Begriff lässt es an Präzision fehlen, weshalb die Rede von der Toleranz sich bezeichnenderweise oft mit Zusätzen wie „recht verstanden“ oder „falsch verstanden“ verbindet. In der beliebten Formel, nach der die Toleranz ihre Grenze an der Intoleranz findet, spiegelt sich zugleich die Unschärfe des Toleranzbegriffs wider, weshalb diese Redeweise gefährlich ist und historisch zu manchen Ausgrenzungen Anlass geboten hat.
Zudem ist Toleranz oft nur ein Zwischenschritt auf dem langen Lernweg von aktiver Unterdrückung Andersdenkender hin zur gleichberechtigten Anerkennung. So hat zum Beispiel eine staatliche Toleranzpolitik bei der Überwindung konfessioneller Bürgerkriege in Europa die Dimension einer menschenrechtlich garantierten Religionsfreiheit lange nicht erreicht.
Auch in der Geschichte des Christentums war der Grat zwischen Wahrheitsanspruch und Abgrenzung, zwischen von Anderen eingeforderter und selbst zu übender Toleranz bisweilen schmal. Zwar hat Martin Luther dann das lateinische Wort tolerantia als „tolleranz“ eingedeutscht. Aber bis zu dem positiven Toleranzbegriff von heute war es ein weiter geistesgeschichtlicher Weg. „Pluralität und Toleranz waren nicht Kinder, sondern allenfalls die Urenkel der Reformation“ (Heinz Schilling, Martin Luther, S.627).
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In der heutigen Zeit besteht zunehmend die Gefahr, dass Toleranz nach dem Motto: „Jeder kann glauben, was er will, mich interessiert das aber eigentlich nicht“ in Richtung Gleichgültigkeit abgleitet. Um dem entgegenzutreten, sollte man um der Toleranz willen dem Grundsatz des friedlichen Streites auch im Kontext der Religionen mehr Aufmerksamkeit widmen.
Zur Person

Christian Düfel
Pfarrer Christian Düfel ist Koordinator der Lutherdekade in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern.